Es darf uns nicht egal sein, was mit dem Boden passiert! | Aktuelle Nachrichten und Informationen

Boden ist ein Schutzgut

Es darf uns nicht egal sein, was mit dem Boden passiert!

Boden ist ein „Naturkörper“. Er besteht aus mineralischen und organischen Bestandteilen und mit Wasser und Luft gefüllten Hohlkörpern unterschiedlicher Größe, den sog. Poren, die ihn wie einen Schwamm durchziehen. In den Poren leben die meisten Bodenorganismen. Mit Ausnahme von Moorböden, entstehen erst nach einem sehr langen Verwitterungsprozess von Gestein verschiedene Bodentypen mit unterschiedlicher Qualität u.a hinsichtlich ihrer Fruchtbarkeit und der Fähigkeit, Wasser zu speichern. Landwirtschaftlich nutzbare, insbesondere ertragreiche Böden, sind knapp und sie sind für uns Menschen keine erneuerbare Ressource. Denn, um einen Zentimeter Boden neu zu bilden, benötigt die Natur einen Zeitraum zwischen 100 und 1000 Jahren!

Der Boden ist Lebensraum für eine enorme Anzahl unterschiedlicher Lebewesen und unsere unverzichtbare Lebensgrundlage. Dennoch schenken wir ihm nicht die Beachtung, die seiner Bedeutung angemessen wäre. Vielen Menschen ist überhaupt nicht bewusst, welch faszinierendes Ökosystem sich da weitgehend im Verborgenen unter unseren Füßen befindet; vorausgesetzt wir stehen auf einem gesunden, d.h. produktiven Boden. Es handelt sich um eine höchst lebendige Welt mit einer Artenvielfalt, die der des Regenwaldes nicht nachsteht. In einer Handvoll Erde leben mehr Organismen als Menschen auf dem Planeten. Allein die Anzahl der Bakterien wird auf 10 bis 100 Millionen je Gramm Boden geschätzt. Hinzu kommen andere mikroskopisch kleine Organismen, Pilze und Flechten, Tausendfüßer, Milben, Asseln, Würmer und Maulwürfe. Diesen Bodenlebewesen haben wir viel zu verdanken. Sie bilden quasi eine Lebens- und Arbeitsgemeinschaft, indem sie die Reste von toten Tieren und Pflanzen in einem ausgetüftelten Zusammenspiel zerkleinern und die enthaltenen Nährstoffe freisetzen. Dies ist Voraussetzung dafür, dass über Tage neue Pflanzen wachsen können. Eine besondere Bedeutung kommt dabei den Regenwürmern zu, die nahrhafte Bodenkrümel ausscheiden, die viel Wasser speichern können und Wurzeln Halt geben. Daneben entsteht durch den Aufbau neuer Verbindungen Humus, der ein wichtiger Faktor für die natürliche Bodenfruchtbarkeit ist und von dessen Gehalt die CO2-Speicherfähigkeit des Bodens abhängt. Wegen ihres hohen Humusgehaltes besitzen insbesondere Moorböden eine gute CO2-Speicherfähigkeit. Böden sind neben Ozeanen die größte Kohlenstoffsenke, d.h. sie können mehr Kohlenstoff speichern, als sie abgeben.

Durch die Fähigkeit der Bodenorganismen, organische Verbindungen abzubauen, hat der Boden auch die Funktion eines Filters und Puffers von Schadstoffen und schützt auf diese Weise das Grundwasser. Schutz bietet ein in seiner Struktur nicht beeinträchtigter Boden außerdem vor Überschwemmungen, da sein verzweigtes Porensystem den Wasserablauf bei Starkregen verzögert. Das ist möglich, weil das Porensystem vorläufig eine große Wassermenge speichern kann, die es zur Verdunstung an die Erdoberfläche und die Pflanzen abgibt und durch Versickerung zum Grundwasser leitet.

Die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit dieses lebenswichtigen Ökosystems ist die Voraussetzung für den Erhalt der natürlichen Bodenfruchtbarkeit, des Bodens als Ausgleichskörper im Wasserkreislauf und seines unverzichtbaren Beitrags zum Klimaschutz. Ein Verlust der Bodenfunktionen schädigt das gesamte Ökosystem mit negativen Auswirkungen auf die Artenvielfalt unterhalb und oberhalb der Erdoberfläche und auch für unser Überleben.

Es steht daher außer Frage, dass ein produktiver Boden ein wertvolles Gut ist und wir das für uns überlebenswichtige Ökosystem unter Tage schützen müssen, wollen wir uns nicht selbst massiv schaden. Dessen ungeachtet nimmt die Fläche landwirtschaftlich genutzter Böden durch Umwandlung zu Siedlungs-, Gewerbe- und Verkehrsflächen kontinuierlich ab und zerstört intensive Landwirtschaft das Leben im Boden. Schwere Maschinen verdichten die Poren, in denen Wasser gespeichert wird und die die Bodenorganismen zum Leben brauchen. Pflüge zerhacken die Tiere und Pestizide vergiften sie. Immer mehr Böden verwüsten, werden geschwächt durch intensive Bewirtschaftung, ausgewaschen durch Überflutungen und weggeweht, weil Windschutz fehlt, wie ihn Hecken bieten. Der schlimmste Schaden entsteht jedoch durch Bebauung und Versiegelung, weil natürliche Bodenfunktionen dadurch unwiederbringlich verloren gehen. Unter Asphalt und Beton zerfallen die wertvollen Bodenkrümel, die Bodenfauna geht zugrunde und damit auch die natürliche Bodenfruchtbarkeit. Täglich erleiden unzählige Bodenlebewesen das Schicksal, unter Asphalt, Beton und Pflastersteinen begraben zu werden; und das Artensterben nimmt seinen Lauf.

Bedroht sind fast 40 Prozent der Regenwurmarten, 24 Prozent der Doppelfüßer- und 22 Prozent der Asselarten. Da schätzungsweise nur etwa die Hälfte der Milbenarten und nur ein Prozent der Bodenmikroben bekannt ist, ist zu befürchten, dass Arten verloren gehen, bevor überhaupt jemand von ihrer Existenz weiß.

Eine Bodenversiegelung lässt sich nur schwer und mit hohen Kosten beseitigen. Die natürliche Struktur des Bodens bleibt auch danach dauerhaft gestört. Diese Struktur bilden die sog. Bodenaggregate, die sich in Jahrtausenden gebildet haben und die gestört und verschmiert wurden. Damit verliert der Boden seine Leistungsfähigkeit und er kann bretthart werden. Bodenfruchtbarkeit baut sich allenfalls ganz langsam wieder auf und mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht in vorheriger Qualität. Maßnahmen zur Wiederbelebung scheitern oft. Das ist nicht verwunderlich, wenn wir uns vor Augen führen, was für eine hochkomplexe Lebens- und Arbeitsgemeinschaft es wieder aufzubauen gilt und dazu benötigte Arten möglicherweise gar nicht mehr existieren. Hinzu kommt, dass besonders wertvolle arten- und humusreiche Böden unter klimatischen Bedingungen entstanden sind, die heute nicht mehr bestehen und sich diese Böden deshalb nie wieder so entwickeln können.

Nicht übersehen werden darf, dass auch die zunehmende Versiegelung extensiv oder nicht landwirtschaftlich genutzter Flächen, die oftmals Rückzugsraum für vom Aussterben bedrohte Arten sind, zu ihrem Schwund beiträgt. Es werden zahlreiche Arten von Pflanzen, Insekten, Vögeln, Amphibien und Faltern in ihrem Bestand durch den Verlust ihrer Lebensräume gefährdet.

Eine übermäßige Bodenversiegelung hat im Weiteren zur Folge, dass der Boden seine Funktion als Ausgleichskörper im Wasserkreislauf verliert, weil Regenwasser weniger gut versickern und die Grundwasservorräte auffüllen kann und von den Flächen strömende Regenfluten benachbarte Böden erodieren. Auch das Klima wird negativ beeinflusst, da versiegelte Böden kein Wasser verdunsten können und für Pflanzen ungeeignet sind, die damit als Wasserverdunster und Schattenspender ausfallen. Das Klima heizt sich auf.

Fazit:

Wir müssen uns der Notwendigkeit einer sparsamen und schonenden Nutzung des Bodens bewußt werden und den schleichenden Bodenverlust aufhalten. Boden ist ein Schutzgut. Um diese wertvolle Ressource mit ihrer lebenswichtigen und multifunktionalen Bedeutung auch im Interesse nachfolgender Generationen zu erhalten, bedarf es einer Verringerung der Flächeninanspruchnahme für Bauvorhaben, eines Verzichts auf Versiegelung, des Schutzes vor Schadstoffeinträgen und Schadstoffbelastungen sowie der Vermeidung von Bodenverdichtung und des Schutzes vor Erosion. Dies erfordert eine dauerhaft umweltgerechte Bewirtschaftung und die Berücksichtigung des Bodens als Schutzgut mit seinen Funktionen im Naturhaushalt bei Planungen von Bauvorhaben, z.B. durch den Vorrang der Innenentwicklung vor der Außenentwicklung einer Gemeinde.

Es sollte auch nicht außer Acht gelassen werden, dass zukünftig mit zunehmenden Ernteausfällen wegen weltweit vermehrt auftretender Dürren infolge des Klimawandels und kriegerischer Auseinandersetzungen zu rechnen ist und die Weltbevölkerung wächst. Der Schutz der Ressource Boden für unsere Nahrungs- und Wasserversorgung sollte uns auch deshalb besonders am Herzen liegen. Boden braucht dringend eine starke Lobby!

(Als Quellen für diesen Beitrag wurden verwendet:

– Informationsschrift des Umweltbundesamtes zur Bodenversiegelung vom 23.01.2023
https://www.umweltbundesamt.de/daten/flaeche-boden-land-oekosysteme/boden/bodenversiegelung

– Andrea Hoferichter: „Leben und Sterben unter dem Asphalt“, Beitrag im Deutschlandfunk vom 11.07.2021
https://www.deutschlandfunk.de/bodenversiegelung-leben-und-sterben-unter-dem-asphalt-100.html

– Informationsschrift der Landesregierung Baden-Württemberg, Herausgeber Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft des Landes Baden-Württemberg: „Boden, Böden, Bodenschutz“, 2015)

Interessierte, die sich für den Schutz der Natur in unserer Gemeinde einsetzen wollen, sind in unserer Gruppe von Naturfreunden in Pinnow herzlich willkommen (Mailkontakt für die Gruppe: ines.scholze@gmx.net)

Dagmar Gottwald-Monstadt